Die Odyssee zum Traumjob

Wäre Karen Gonzales Ramos in ihrer Heimat Mexiko geblieben, würde sie inzwischen gutes Geld als Juristin verdienen. Stattdessen kämpft sie in Deutschland gegen Bürokratie und den Amtsschimmel, um eine Ausbildung in einer Kita zu machen. Nach acht Monaten, unzähligen Schriftwechseln mit Ämtern und Behörden, mehr als tausend Euro Kosten für notarielle Beglaubigungen und Übersetzungen hat sie es nun geschafft.
Im mexikanischen Pueblo hatte Karen Gonzales Ramos bereits fünf Jahre Jura studiert. Ihre Eltern sind beide Juristen, gerne folgte sie der Tradition. „Ich mag diese Welt, aber ich habe festgestellt, ich liebe sie nicht“, sagt Gonzales Ramos. Deswegen entschied sie sich für ein Au Pair Jahr in Deutschland und landete bei einer Familie in Harsewinkel. Nach nur drei Wochen lernte sie ihren heutigen Lebenspartner Stefan Becker kennen und schnell wurde klar, dass ihre private und berufliche Zukunft in Deutschland stattfinden sollte. An der Gesamtschule in Harsewinkel absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr und entdeckte ihre Leidenschaft für die Arbeit mit Kindern. Schnell war klar: eine Ausbildung als Erzieherin wäre ideal.
„Es war aber als Ausländerin nicht so einfach, herauszufinden, wo man sie machen kann und welche Voraussetzungen ich erfüllen muss“, sagt Karen Gonzales Ramos. Schließlich recherchierte ihr Freund Stefan Becker mögliche Berufsschulen, Anfang Februar ging es auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz.
Die Berufsschulen wollten ihr aber nur einen Platz zusichern, wenn sie einen Ausbildungsplatz bereits in der Tasche hatte, die Träger der Einrichtungen ihr aber diesen Ausbildungsplatz nur geben, wenn sie zuerst den Nachweis über den Platz an der Schule erbrachte.
„Da gibt es ein Abstimmungsproblem, unser Problem ist, dass wir keinen Ausbildungsplatz blockieren können, wenn es keinen Schulplatz gibt“, erklärt Marlene Ens, Geschäftsführerin des Kita-Verbands im Kirchenkreis Halle. Als sie von der Situation der jungen Mexikanerin erfuhr, bot Marlene Ens gemeinsam mit ihrer Kollegin Annegret Cyriaci ihre Hilfe an. Durch direkten Austausch mit der Berufsschule Warendorf und der gegenseitigen Zusicherung eines Platzes wurde die Ausbildung möglich.
„Mehr als ein halbes Jahr arbeiten wir an diesem Vorgang und können nicht mehr sagen, wie viele Personalkosten und Ressourcen uns das gekostet hat. Und nicht jeder hat so viel Mut und Durchhaltevermögen wie Frau Gonzales Ramos – wir hatten noch zwei weitere Kandidaten in ähnlichen Situationen, denen war der Prozess zu anstrengend und sie haben ihre Bewerbungen wieder zurückgezogen“, berichtet Marlene Ens. Gerade in einer Zeit des Fachkräftemangels könne sich aber kein Träger leisten, gute und engagierte Bewerber zu verlieren, weil die Bürokratie dem im Wege steht.
Am 1. August begann Karen Gonzales Ramos offiziell ihre Praxisintegrierte Ausbildung in der Kita Loxten in Versmold – wenn auch nicht so ganz. „Ich hatte sie zur Arbeit gebracht, ihr viel Spaß gewünscht und keine halbe Stunde später rief sie wieder traurig bei mir an“, erinnert sich Stefan Becker. Denn anstatt direkt loszulegen, musste Karen Gonzales Ramos sofort Urlaub nehmen. „Das mussten wir machen, weil es zunächst keine Arbeitserlaubnis gab, obwohl die lange im Voraus beantragt war. Wir haben dann die Ausländerbehörde erreicht und konnten das Ganze beschleunigen“, berichtet Marlene Ens.
„Wir Ausländer wissen nicht genau was uns passieren kann, das war eine Zeit der Angst und Ungewissheit“, sagt Karen Gonzales Ramos, die trotz ihres Jurastudiums auch noch Probleme hatte, ihre Schulbildung in Deutschland anerkennen zu lassen. Für die 25-Jährige und ihren Freund war es zeitweise unmöglich, bei der Ausländerbehörde jemanden telefonisch zu erreichen. „Man hat uns sogar davon abgeraten, uns nach dem Status zu erkundigen, weil es dadurch noch länger dauern würde“, berichtet Stefan Becker. Erst vor wenigen Tagen kam die Anerkennung von der Ausländerbehörde per Post – versehen mit einem Ausstelldatum vom 30. Juni.